Ein Vertreter der deutschen Minderheit in Rumänien, der aus bürgerlichen Verhältnissen stammende siebzehnjährige Leo Auberg, wird im Januar 1945 in ein stalinistisches Arbeitslager unweit von Gorlovka in der Ukraine interniert und muss dort die nächsten fünf Jahre seines Lebens verbringen. So ist die Disposition des Romans von Herta Müller Atemschaukel (2009). Herzzerreißendes Heimweh plagt Leo im Laufe der ersten Lagerjahre nicht weniger grausam, als Hunger, miserable Wohnverhältnisse und die Schikanen der Aufseher. Bei den Internierten, die infolge der systematischen Unterernährung am Rande des Hungertodes stehen, decken sich die Hohlwangen mit einem spezifischen weißen Flaum, sodass ihr Gesicht zur „Hasenmaske“ wird. Deswegen sagt man von den Hungersterbenden im Lager, „er (sie) hat einen Hasen ins Gesicht bekommen“, „ein Hase springt ihm (ihr) ins Gesicht.“1 Eine der typischen Arbeitsarten für die Lagerinsassen ist das Ausladen der Kohletransporte, unter anderem der Gaskohle, die man auf Russisch „hasowyj“ nennt. Für den Deutschen Leo wird dieses fremde Wort zu jenem „dritten Ort“ (Homi Bhabha), an dem sich das für das Lager spezifische Idiom „einen Hasen ins Gesicht bekommen“ mit dem „bürgerlich“ gefärbten „heimischen“ Wort „Heimweh“ trifft. Das Russische„газовый“ hört sich für ihn nun an wie „Hasoweh“. „Das klingt wie verwundeter“2, – dieser Satz des Protagonisten markiert die Assoziation seiner selbst und...